Diesem Thema wurde im Januar 2016 ein pädagogisches Wochenende gewidmet.
Meinung der AG Spagat:
Wir Menschen sind sehr rhythmische Wesen, und fühlen uns am wohlsten, wenn unsere eigenen Rhythmen mit denen unserer Lebensumwelt im Einklang stehen.
Im Schlaf wird das am Tag Aufgenommene und Gelernte nicht nur "abgespeichert", es wird vielmehr nochmals durchlebt, mit unseren Erfahrungen verwoben, verarbeitet und sehr tiefgründig durchdacht ohne dass wir uns dessen vollständig bewusst werden.
Ausreichend Schlaf zur richtigen Zeit ist die Voraussetzung dafür, dass diese Abläufe in gutem Umfeld möglichst grenzenlos stattfinden können.
Wir haben an unserer Schule das Problem erkannt, dass viele Schüler zu wenig schlafen. Unsere Recherchen ergaben, dass die Ursache dieses Schlafmangels nicht das zu späte Einschlafen, sondern das zu frühe Aufstehen ist. Jugendliche erleben am späten Abend nochmals ein Leistungshoch, welches sie nicht einschlafen lässt.
Ausreichend Schlaf können sie also nur erhalten, wenn sie morgens länger schlafen. Das Ziel ist die Verschiebung der Unterrichtszeit so, dass sie möglichst günstig für die Leistungs- und Aufnahmebereitschaft der Schüler liegt und ihnen ausreichend Schlaf ermöglicht. Deshalb schlagen wir einen späteren Unterrichtsbeginn um 8:30 Uhr vor. Es ist nicht das Ziel unserer Arbeitsgruppe, die Unterrichtszeit zu verkürzen.
Erfahrungen anderer Waldorfschulen zeigen, dass bei späterem Unterrichtsbeginn die Schüler nicht weniger lernen. Ganz im Gegenteil: die Kinder sind von der ersten Stunde an aufnahmefähig, lernen in der gleichen Zeit besser und mehr. Außerdem behalten sie offenbar durch den ausreichenden Schlaf auch mehr im Langzeitgedächtnis.
Zu diesem Thema findet man in der Literatur zwei für uns wichtige Aussagen. Zum einen ist das Leistungstief zur Mittagszeit bei Kindern und Jugendlichen noch nicht so stark ausgeprägt wie bei Erwachsenen. Zum andern lässt das Leistungstief vor allem dann Schläfrigkeit aufkommen, wenn man insgesamt nicht ausgeschlafen ist. (Lit.: Peter Spork, "Das Schlafbuch", S.81, im Büchercafé verfügbar)
Frau Lenzen von der Waldorfschule Freiburg-Wiehre berichtete, dass auch bei ihnen der beratende Chronobiologe im Mittagstief kein großes Problem sah. Es kann durch eine im Rhythmus zu den Unterrichtsblöcken günstig gelegte Mittagspause aufgefangen werden.
Dies ist ein häufig vorgebrachtes Argument der Verfechter frühen Unterrichtsbeginns.
Eine Vorbereitung auf frühes Aufstehen zur Berufstätigkeit muss aber gerechterweise relativ zum Biorhythmus betrachtet werden. Stehen Erwachsene um 6:00 Uhr eine Stunde vor ihrem Rhythmus auf, so entspräche das bei 16-jährigen einem Aufstehen um 10 Uhr.
Mit dem Argument, die Kinder sollten sich schon an das frühe Aufstehen im Berufsleben gewöhnen, würde man also einem Unterrichtsbeginn gegen 11 Uhr fordern! (Bei 18jährigen mit 8
Stunden Schlafbedarf, siehe Grafik)
Warum sollten sich Kinder aber überhaupt an UNSER Berufsleben gewöhnen?
"Es ist nicht die Aufgabe der Erziehung, für eine bestimmte Gesellschaft zu erziehen, oder darauf hin, was von dieser Gesellschaft als notwendig empfunden wird. Vielmehr ist es an der Natur des Menschen abzulesen, was die Gesellschaft braucht, um sich ihrer eigenen Gesetzmäßigkeit entsprechend gesund entfalten zu können: „Die Gesellschaft wird sich in Zukunft nach dem gestalten müssen, was die heranwachsende Generation sich aus ihrem Bewusstsein als Ziel setzt."(R. Steiner) Nur so kann eine freie Gesellschaft entstehen, nur so können durch das frische Leben immer wieder die Verkrustungen der alten Formen zerbrochen werden und neue Formen entstehen." (Die Grundrichtung der Waldorfpädagogik, Website unserer Schule)